TANZPAKT fördert die Initiative LUNA PARK

Tanz(t)räume – neue Räume für den zeitgenössischen Tanz

Im Oktober 2021 traf die Jury von TANZPAKT Stadt-Land-Bund, einer gemeinsamen Initiative von Kommunen, Bundesländern und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Exzellenzförderung im Tanz, ihre Entscheidung zu den Anträgen der 3. Ausschreibungsrunde: 13 Projektvorhaben aus dem gesamten Bundesgebiet wurde eine Förderung zugesprochen. Eines davon war unser Projekt tanz(t)räume. Dass auch unsere Initiative LUNA PARK zu den Geförderten gehört, hat uns selbstverständlich ungeheuer gefreut. Wir verstehen die Förderung als Anerkennung für unsere bisherige Arbeit, vor allem aber als Ansporn und Unterstützung für all das, was wir uns für die kommenden Jahre vorgenommen haben.

Mit tanz(t)räume wollen wir neue Denk-, Begegnungs-, Aktions- und Arbeitsräume eröffnen bei der Realisierung, Vermittlung und Rezeption unserer zeitgenössischen Tanzproduktionen. Wir wollen das Potenzial des zeitgenössischen Tanzes als Motor der künstlerischen und kulturellen Bildung und Teilhabe nutzen und stärken, indem wir ihm in einem sozial- und kulturräumlichen Umfeld, das mit dieser Kunstform bislang nur selten in Berührung kommt, neue Zielgruppen erschließen und so seine Sichtbarkeit und Wirksamkeit erhöhen.Die Idee zu tanz(t)räume entstand vor dem Hintergrund der inzwischen bereits mehr als zehnjährigen Kooperation der Initiative LUNA PARK mit der Gesundbrunnen-Grundschule, einer Brennpunktschule im Berliner Stadtteil Wedding, und weiteren Bildungs- und kulturellen Institutionen in deren Umgebung. Dort engagiert sich unsere Initiative – parallel zu ihrer professionellen Produktionsarbeit auf dem Gebiet der zeitgenössischen Darstellenden Kunst – auch in vielfältigen Projektformaten der künstlerischen Bildung v.a. im Bereich Tanz und Theater für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, mehrheitlich mit Migrationshintergrund, die auch deren Familien und die Nachbarschaft im Kiez einbeziehen. Regelmäßig stattfindende internationale Austausch- und Begegnungsprojekte für junge Tanzschaffende („How to dance in times of crisis?“) und Fachkräfte der Tanzvermittlung („Teaching Performance“) sowie unsere Freiwilligendienstprojekte („Dance Encounters“) im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps (ESK) begleiten und ergänzen dieses Engagement. Von 2020 bis 2022 realisierten wir zudem das Projekt „Tanz und Theater im Quartier“, gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), mit Fokus auf den Ausbau unserer soziokulturellen Projektarbeit.

Hauptanliegen unserer Initiative ist es, unsere beiden Arbeitsfelder – die künstlerische Produktion im zeitgenössischen Tanz und die künstlerische bzw. soziokulturelle Bildungsarbeit – so miteinander zu verbinden, dass Synergien entstehen, die für beide Bereiche einen nachhaltigen Nutzen bringen. Unser Projekt tanz(t)räume soll diese Verbindung stärken, indem es eine dauerhafte räumliche, personelle und kooperative Struktur für die Verwirklichung dieses Anliegens schafft.
Dazu gehört die dauerhafte Etablierung einer Künstler*innenresidenz* für Tanzschaffende an der Gesundbrunnen-Grundschule, die wir auf diesem Wege weiter zu einem offenen Produktionsort für den zeitgenössischen Tanz ausbauen wollen. Künstlerresidenzen findet man vor allem an Orten und Institutionen, die sich per se der Produktion oder Präsentation von Kunst verschrieben haben: Theater, Galerien und Museen oder Künstlerhäuser und Hochschulen. An Grundschulen, insbesondere an solchen in sozialer Brennpunktlage, findet man Künstlerresidenzen nur selten, und sie fokussieren nahezu wie ausschließlich auf bildende Künstler oder Musiker. Höchste Zeit also, auch Akteure des zeitgenössischen Tanzes in diese besondere Form der festen Verortung tanzkünstlerischen Schaffens einzubeziehen.

Die Künstlerresidenz soll zu einem festen Bestandteil des Schullebens und des Lebens im Kiez werden. Die Künstler sind nicht nur Gäste auf Zeit, sondern beständig und langfristig vor Ort, sie sind in den verschiedenen Projektformaten von tanz(t)räume in ständiger Verbindung mit der Schule und deren Nachbarschaft. So sollen die z. B. auch drei im Rahmen von tanz(t)räume geplanten Neuproduktionen von den residierenden Tanzkünstler*innen der Initiative LUNA PARK im Dialog mit anderen Künstlern verschiedener Sparten, Teilnehmern unserer Austauschprogramme, Pädagogen, Berliner Schulkindern, deren Familien und der Nachbarschaft im Kiez geplant, entwickelt und umgesetzt werden. Diese Produktionen werden sich in ihrer Konzeptions-, Vorbereitungs- und Probenphase mit den Gegebenheiten eines bunten und multikulturellen, aber auch von prekären sozialen und ökonomischen Verhältnissen geprägten Kiezes auseinandersetzen. Dazu nutzen die Tanzkünstler*innen im Rahmen ihrer Residenz Räumlichkeiten, technische Ausstattung und Infrastruktur der Gesundbrunnen-Grundschule, insbesondere an den Wochenenden, in den Schulferien und darüber hinaus regelmäßig in den unterrichtsfreien Zeiten.

Als Teil der konzeptionellen und inhaltlichen Entwicklung der drei Stücke führen die Tanzkünstler*innen regelmäßig offene Workshops an der Schule durch, die dem o.g. Personenkreis zugänglich sind. Dadurch wird es den Künstlern möglich, sich intensiv und direkt mit der Lebenssituation der Menschen in ihrem Umfeld auseinanderzusetzen, Dialog und kreativer Input von dieser Seite sind ausdrücklich erwünscht. Die Erfahrungen daraus werden vielfach in die Erarbeitung der Stücke einfließen. So werden auch die entsprechenden Probephasen nicht im abgeschlossenen (Theater-)Raum stattfinden, sondern am Produktionsort Schule im Brennpunktkiez der Öffentlichkeit zugänglich sein. So findet eine direkte Vermittlung der Kunstform Zeitgenössischer Tanz schon in seiner Erarbeitungspraxis statt – vor allem für Menschen, die zu dieser Kunstform noch keinen Zugang hatten, und die nun direkt erfahren können, wie zeitgenössischer Tanz „gemacht“ wird.

Weiterhin über den gesamten Projektzeitraum von tanz(t)räume geplant sind regelmäßige Begegnungs- und Fortbildungsformate für junge Tanzschaffende in Zusammenarbeit mit eingeladenen Künstler*innen und Tanzvermittler*innen aus dem In- und Ausland und die Förderung von Eigenproduktionen junger Tanzschaffender mit Unterstützung der Infrastruktur der Initiative LUNA PARK, z. B. durch die kostenlose Nutzung von Proberäumen und Technik sowie durch unsere professionelle Beratung mit Feedback und Analysen zum Produktionsprozess.

Parallel dazu werden die im Rahmen der Künstlerresidenz tätigen Tanzschaffenden regelmäßig Tanz- und Bewegungskurse, Workshops, Projektwochen, Ferienprogramme, Exkursionen und Theaterbesuche für Schul- und Kitakinder durchführen und begleiten sowie Tanz- und Theaterprojekte mit ihnen erarbeiten und zur öffentlichen Aufführung bringen. Insbesondere die Schulkinder werden aktiv an der Gestaltung dieser Formate beteiligt und bringen dabei selbst Themen aus ihrem Lebensalltag ein. Hierzu sollen auch bereits seit mehreren Jahren an der Gesundbrunnen-Grundschule erfolgreich durchgeführte Tanz- und Theaterprojekte weiterentwickelt, auf benachbarte Schulen ausgeweitet und einer größeren Teilnehmerzahl bzw. einem größeren öffentlichen Publikum im Kiez zugänglich gemacht werden.
Um diese Ziele zu erreichen, möchten wir im Rahmen von tanz(t)räume die Kooperation mit lokalen Kultur- und Bildungspartnern vertiefen, mit denen wir zum Teil schon länger im Rahmen verschiedener künstlerischer und soziokultureller Projekte zusammenarbeiten, so zum Beispiel mit den Weddinger Uferstudios, dem Centre Francais de Berlin, dem Theater 28 und dem Tropez im Humboldthain und darüber hinaus auch mit anderen Schulen, Kitas und Einrichtungen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung. Diese Kooperation beinhaltet neben der Bereitstellung von Räumlichkeiten für Kurse, Workshops, Proben und der gemeinsamen Organisation und Durchführung von verschiedenen Aufführungs- und Begegnungsformaten vor allem auch den Austausch von Best-Practice-Methoden im Bereich der Kunstvermittlung und von entsprechenden Arbeitserfahrungen der Leitung und der Mitarbeitenden in regelmäßigen Gesprächs- und Diskussionsrunden.

tanz(t)räume soll durch seine oben beschriebenen offenen Produktions- und künstlerischen Vermittlungsformen und die Besonderheit ihrer örtlichen Einbettung durch eine Künstlerresidenz an einer Grundschule in einem Brennpunktkiez auch bisher dem zeitgenössischen Tanz ferne soziale Gruppen und Schichten erreichen, sie als neue Zielgruppen gewinnen und ihnen so ein Mehr an kultureller Teilhabe ermöglichen. Für große und kleine Kiezbewohner entstehen neue Begegnungsräume, die neue Chancen für ein generationsübergreifendes Miteinander durch das gemeinsame Thema zeitgenössischer Tanz bieten. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene können sich kreativ ausprobieren und für sich selbst neue Perspektiven eröffnen. Die Berliner Tanz-Community erhält offene Experimentierfelder in einem Brennpunktbezirk und kann sich durch das Erleben anderer Lebensrealitäten für ihre Tanzproduktionen inspirieren lassen. Kinder aus Brennpunktschulen profitieren von der beständigen Präsenz professioneller Tanzkünstler vor Ort. Vor diesem Hintergrund sehen wir „tanz(t)räume“ als ein innovatives Modell für die Produktion und bessere Sichtbarmachung zeitgenössischer Tanzkunst in neuen Räumen.

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Gio